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Interview

Beitrag für das «NZZ Folio»

Ein intimes Gesprächsprotokoll von Ramona und Markus, die ihrer Verbundenheit zueinander Ausdruck geben – und dabei nicht verschweigen, dass ihre Freundschaft gefährdet ist.

 
 

Leseprobe

Haben Sie Angst, sich zu verlieren?

Markus: Angst ist das falsche Wort. Aber die Vorstellung löst in mir kein gutes Gefühl aus.

Ramona: Ja, ein ungutes Gefühl. Weil ein wichtiger Teil des Lebens einfach verschwinden würde.

Blenden wir zwölf Jahre zurück: Wie muss man sich Ihre Liebesbeziehung vorstellen?

Ramona: Sehr intensiv! Wir haben im gleichen Chor gesungen – so haben wir uns kennengelernt.

Markus: Wir gingen an Mittelaltermärkte oder Metal-Konzerte. Dadurch hatten wir viele Bekannte.

Ramona: Eine Zeitlang sind wir fast in diese Mittelalterwelt geflüchtet, weil sie aufregender war als unser Alltag. Wir wollten uns ausleben, wild sein, ein bisschen provozieren.

Markus: Ich liebe es, etwas körperlich intensiv zu erleben. Aber im Alltag war ich ein recht angepasster Mensch.

Ramona: Markus wirkte manchmal angespannt, irgendwie unzufrieden oder abweisend. Als würden sich die Gefühle aufstauen. Im nächsten Moment entluden sie sich dann in Tränen. Dann haben wir uns in die weissen Stühle gesetzt. Wir hatten unsere Philosophierstühle in Markus’ Wohnung.

Markus: Bequeme weisse Ledersessel mit verstellbarer Rückenlehne. Ich glaube, sie hiessen «Stressless».

Ramona: Darin haben wir ständig über unsere Beziehung philosophiert, meist mit einer Tasse Tee. Nach den Gefühlsausbrüchen gab es oft stundenlange Diskussionen – aber immer konstruktiv.

Markus: Man muss es sich so vorstellen: Durch das, was ich Ramona über mich erzählte, verstand ich mich selber wieder besser – und umgekehrt.

Ramona: So machte jeder für sich gigantische Schritte vorwärts. Manchmal lachten wir und sagten: «Jetzt sitzen wir schon wieder in den weissen Sesseln!»

Was für eine Rolle spielte der Altersunterschied?

Ramona:
Als wir uns trennten, war ich 28, Markus 49. Wir standen einfach an einem anderen Punkt. Wir sprachen auch über Heirat und Kinder. Alles stimmte, und ich hatte ihn so gern, aber das konnte ich mir überhaupt nicht vorstellen.

Markus: Ramona hat die Offenheit für die Möglichkeiten im Leben vermisst. Die Sinnfrage beschäftigte sie stark, während ich mit beiden Beinen im Berufsleben stand.