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«Horizonte»

Die Pro Senectute des Kantons Zug erreicht mit ihrem Magazin «Horizonte» viele Menschen. Dank unseres Schlusskorrektorats sind die Texte rundum fehlerfrei.

 
 
 
 

Leseprobe

Wer Griselda und Otto Wohlwend zur Pensionierung gratulieren und etwas schenken wollte, bekam eine ausgefallene Aufgabe gestellt: Auf deren Website www.grisotto.ch konnten Angehörige und Bekannte eine Etappe zwischen Risch (ZG) und Gerra (TI) auswählen und buchen. Zum Beispiel das Rifuio Pian di Crest im Val d’Antabia, auf einer Alp, wo sich Rebhühner, Murmeltiere und Gemsen kreuzen – oder im ehrwürdigen Palazzo Gamboni, im Onsernonetal, wo festlich geschlemmt werden kann. «Jeder Tag war eine Überraschung», schwärmt das Ehepaar. «Am Morgen beim Frühstück oder am Abend. Plötzlich sassen nach einer Wanderetappe Familienmitglieder oder Freunde am Tisch. Einzelne haben uns auf der Tour begleitet, andere haben mit uns gefeiert», frohlocken die sportlichen Rentner. Otto Wohlwend war für die Routenplanung verantwortlich, seine Frau für die Unterkünfte und Verpflegung. Im Web sind akribisch alle Touren-Details eingetragen: Eine Etappe dauert zwischen 3,25 und 8 Stunden und hat eine Distanz von 8 bis 19 Kilometern sowie 100 bis 1800 Höhenmeter.

Der ehemalige Kulturingenieur hat alles detailgetreu ausgerechnet und mittels Tabelle und Kartenausschnitten auch den Schwierigkeitsgrad publiziert. «Blasen oder Muskelkater sind kein Thema», meint seine Frau, eine ehemalige Ärztin. «Wir haben schon vor der Pensionierung die Schweiz durchquert und Fernwanderungen gemacht: in vier Wochen vom westlichsten zum östlichsten Gipfel der Schweiz. Oder vom Norden mit Start in Degersheim in den Süden.» Der Ehemann hatte damals lange geplant, um die erste Durchquerung zu realisieren. Mit der Zeit kehrt Routine ein und sie können die Unterkünfte unterdessen gut einschätzen.

Übung macht den Meister. «Die Rucksäcke werden gewogen, bevor wir starten», erklärt Griselda Wohlwend. «Ich trage zwischen fünf und sechs Kilo. Und mein Mann bis sieben.» Bei den T-Shirts zählt jedes Gramm. So kommen nur die leichten mit. «Abends wird alles Getragene gewaschen. Morgens ziehen wir die zweite frische Garnitur aus dem Rucksack an. Darum darf die Wäscheleine nicht fehlen. Shampoo und Seife müssen für die Funktionswäsche ausreichen.» Tagsüber isst das Paar nur Snacks, dafür am Abend, wenn der Hunger nagt, umso genussvoller. «Wenn ein Wanderbegleiter mal eine Flasche Wein mitbringt, haben wir auch schon Pausen vor einer Kirche oder auf einem Friedhof eingelegt», so das unternehmungslustige Duo. 

Die ganze Idee entstand, weil das Ehepaar Wohlwend an den vielen Geburtstags-feiern, an die es eingeladen war, folgende Beobachtung machte: Für die Gastgeber war es immer anstrengend, allen Gästen mit kurzem Smalltalk gerecht zu werden. So entwarfen die Wohlwends für die Feier ihres 50. und 60. Geburtstags ein «Begleittouren-Konzept». Dieses fand im Bekanntenkreis grossen Anklang – und alle kamen auf ihre Kosten. Das Paar macht sich nun bereits Gedanken, wie es den 70. gestalten könnte: «Vielleicht wird es ein sternförmiges Tourenpaket, bei dem wir zentral stationiert sind und dann in verschiedene Richtungen ausströmen. Die Erwartungen unserer Bekannten sind hoch, doch deren Kondition nimmt altersbedingt häufig ab. Wir müssen uns etwas Tolles ausdenken. Kürzere Etappen und weniger Höhenmeter.»

Ihre Philosophie heisst: Muskeln und Gelenke nicht unnötig belasten. Und immer die Stöcke dabei haben – das ist absolut zentral. Mit 65 hatten die beiden locker 2000 Höhenmeter pro Tag geschafft. Beachtenswert. Und runter geht es gerne mit einer Bahn. «Für einige rennen wir durch die Berge, doch für uns bewegen wir uns immer im Wohlfühlbereich. Wir haben uns die Kondition stetig angeeignet – für andere bedeutet dies Stress. Darum kennzeichnen wir einzelne Tourenabschnitte wie blau-weiss-markierte als schwierig – und sind dann alleine unterwegs.»

«Im Tessin hat uns auf einmal auf einer Acht-Stunden-Tour ein Unwetter die Pläne durchkreuzt. So mussten wir einen Umweg in Kauf nehmen und erreichten relativ spät und erschöpft die Berghütte. Umso grösser die Überraschung, dass trotz Wind und Regen auch zwei Bekannte den etwas garstigen Aufstieg gewagt hatten.» Wohlwends verlassen sich auf ihre Smartphones. Und die Karten, die sie beide im Voraus heruntergeladen haben. Die Frau ist für die Fotos zuständig. Zur Sicherheit hat das Paar noch eine Powerbank dabei. Und dank GPS kennen beide den Standort. Das Handy aufladen gehört abends mittlerweile zum Ritual. Als Joker kommt ein kleines Funkgerät mit – etwa gleich gross wie ein iPhone. «So sind wir mit der Rega verbunden», meint der Hobby-SAC-Skitourenleiter. Die Planung einer Fernwanderung ist anspruchsvoll. «Aber wir verlangen kein Urheberrecht auf unsere Touren», schmunzelt das Paar.